Harri Piel
Wie "Harri Piel" die Spremberger Polizei ärgerte
"Harri Piel", als Spitzname von den Sprembergern für einen ihrer Bürger gebraucht, gehört zu den sogenannten Spremberger Originalen, die als nachgestellten Figuren stets auf den Spremberger Heimatfesten anzutreffen waren, zuletzt 1954. Heute kennen diese Figur nur noch wenige. Hinter diesem Namen verbirgt sich der Spremberger Bürger Heinrich Günter, der in der heutigen Paul-Thomas-Straße 17 (Einwohnerbuch 1929, Luisenstraße 13) wohnte und ab 1915 begann, sich als "Harri Piel" in Spremberg einen Namen zu machen. Seine Bekleidung bestand aus einem schwarzen Frack, Zylinder, schwarzer Fliege und weißen Handschuhen. Seine Requisiten waren ein alter Kinderwagen oder ein Schiebkarren, in denen er die zahlreichen Ordnungsstrafen, die er für seinen Unfug von der Polizei erhielt, in Pfennigen durch die ganze Stadt und unter starker Anteilnahme der Bevölkerung zur Polizeiwache zu fahren und dort in der Wachstube auf den Fußboden auskippen pflegte, sodass sich die ganze Herrlichkeit nicht nur über den Fußboden ergoss, sondern unter alle Schränke rollte und oft von den Umherstehenden voller Freude aufgesammelt wurde. Die Spremberger waren zu solchen Anlässen immer zahlreich erschienen und zollten reichen Beifall. Seine Ordnungsstrafen ließ er auf der Sparkasse in Pfennigen einwechseln, wofür er dort bereits bekannt war und was ihm nie verwehrt wurde. Weshalb Heinrich Günter den Namen des beliebten und berühmten Sensationsdarstellers im Film Harri Piel erhielt, ist nicht mehr bekannt. Wahrscheinlich hängt diese Namensgebung mit seiner Bekleidung und den zur Freude der Zuschauer gegebenen "Vorstellungen" zusammen. Ständig provozierte er durch lächerliche Vergehen, die als Straftaten ausgelegt wurden, die Polizei und gab diese dem Hohngelächter der Spremberger preis. Auch bei den Kindern war "Harri Piel" beliebt. Ihren Beifall fand er vor allem durch seine gewagten Übergänge über die eisernen Brückengeländer der Stadt, die hochgewölbt die Brücken säumten und auf denen er wie Seiltänzer die Spree überwand und damit zum regionalen Sensationsdarsteller aufrückte. Bekannt ist auch jene Geschichte, als er mit der Angelrute an der Hammerlache stehend von einem Polizisten auf das Angel-Verbotsschild hingewiesen wurde, den an der Angel befestigten Hering aus dem Wasser zog und die Behauptung aufstellte, dass er seinen Salzhering wässern könne, wo er wolle! Ob Heinrich Günter jemals für seine Attacken auf die Spremberger Polizei inhaftiert wurde, ist nicht bekannt. Geblieben ist die Liebe der alten Spremberger für "Harri Piel", den unvergessenen und einmaligen Spremberger Spaßvogel.
[von Marita Ihle - aus dem "Spremberger Heimatkalender 1990"]
Mutter Birnbaum
Spremberger Volkstypen: Die Birnbaum
Zu den bekanntesten und beliebtesten Spremberger Volkstypen zählt ohne Zweifel "die Birnbaum", eine auf Markt und Straße Obst und Gemüse feilbietende Ur-Sprembergerin. Ihren Standplatz hatte sie meistens an der Schützenstraße, heute Bogenstraße, vor der Buchhandlung Krätzschmar. Ihre Ware, im eigenen Garten gezogen oder von gepachteten Obstbaumalleen geerntet, war stets frisch und wurde sehr preiswert angeboten. Nach im Museum vorliegenden älteren Aufzeichnungen soll sie bereits 1904 dort ihren Platz gehabt haben, den sie bis 1932 behauptete. Immer freundlich, hatte sie stets gute Ratschläge für ihre Kunden parat wie auch Spremberger Neuigkeiten. Was Wunder, wenn sie zu einer der beliebtesten auf Heimatfesten nachgestalteten Figuren wurde. Birnbaum-Darsteller gibt es in Spremberg mehrere und sogar Männer schlüpfen in diese Rolle, sollte Spremberger Geschichte auf unterschiedlichsten Veranstaltungen dargestellt werden. Spremberger Laienkünstler nahmen sich ebenfalls gern diese Figur an. Als Beispiel sei der Keramikbrunnen von Herrn Gerd Debitz in der Gaststätte "Stadt Spremberg" genannt. In der Vergangenheit gab es häufig Spekulationen um ihren Namen. Das führte sogar zu der Behauptung, an ihrem Stammplatz habe ein Birnbaum gestanden. All den Grüblern und Tüftlern sei gesagt, sie heißt ganz einfach nur so.
[von Marita Ihle - aus dem "Spremberger Heimatkalender 1991"]
Nachtwächter Kulke
Der Nachtwächter Kulke von Spremberg
Der Nachtwächter Kulke ist eine beliebte Spremberger Volksfigur. Seit der 1000-Jahr-Feier 1893, dem ersten Heimatfest, hat es viele Kulke-Darsteller gegeben. 1935-1939 fanden in Spremberg Heimatfeste mit großem Jahrmarkt statt. Zu diesen Anlässen war auch Kulke vertreten. Er wurde zur damaligen Zeit von Herrn Walter Kolbe, einem gelernten Bäckermeister und Leiter der Laienspielgruppe "Freunde und Bühnenkunst", dargestellt. Drei bis vier Wochen vor dem Fest machte er seine abendlichen Runden durch Lokale und Straßen und musste dabei trinkfest sein, da er oft "eingeladen" wurde. Aber auch nüchtern spielte er den "trinkfreudigen" Kulke. Er trat auch zwischen den Heimatfesten auf, zum Beispiel am 1. April 1938 beim Neubau der Langen Brücke. Eine Zeitungsnotiz meldete: "Am 1. April wird die Alte Brücke gesprengt." Vor dem zahlreichen Spremberger Publikum "sprengte" Kulke mit einer Gießkanne die Brücke. Nach dem 2. Weltkrieg in den 50er Jahren wurden die Heimatfeste wieder aktuell. Da an den dabei durchgeführten Umzügen neben Vereinen, Betrieben, Handwerkern und Gewerbetreibenden auch die Feuerwehr beteiligt war, durfte Nachtwächter Kulke nicht fehlen. Für diese Rolle fand sich der gewitzte Lebenskünstler und Spaßvogel Herr Richard Löser (20.10.1900 - 18.1.1968). Dieser war nach der Heimkehr aus italienischer Gefangenschaft 1947 beim Fuhrgeschäft Kleemann in Kochsdorf tätig und wurde speziell beim Ruinenabriss als "Fassadenkletterer" eingesetzt. Er führte, auf einem Hochrad sitzend, die Mannen der Spremberger Feuerwehr an, letztmalig zur 100-Jahrfeier der Feuerwehr 1963, fünf Jahre vor seinem Tode. Erst ab 1987 konnte man wieder Nachtwächter Kulke, diesmal in meiner eigenen Darstellung, vereint mit anderen "Spremberger Originalen" begrüßen. Die Karnevalisten des Motorsport-Clubs Spremberg e.V. hatten sie wieder zum Leben erweckt und nach so kurzer Zeit bereits gehören sie wieder fest zum Programm der Spremberger Heimatfeste.
[von Rainer Scheudeck - aus dem "Spremberger Heimatkalender 1993"]
Räuberhauptmann Lauermann
Lauermann und seine Räuberbande
Der Stadtschreiber Heinrich Oswald Lauermann war ein schöner und kluger Mann, aber er hatte zwei für seine Zeit unverzeihliche Fehler: Er war arm, denn sein karger Lohn reichte nur für den dürftigsten Lebensunterhalt, und er liebte das schöne Ännchen, die einzige Tochter des reichsten und angesehendsten Tuchhändlers in Spremberg. Das schöne Ännchen erwiderte seine Liebe, doch war sie von ihren Eltern bereits einem anderen versprochen, der als Offizier in der Armee des Königs Dienst tat. Trotzdem wagte der Stadtschreiber, bei dem reichen Tuchhändler um die Hand seiner Tochter anzuhalten. Doch dieser wies ihn mit schmähenden Worten ab. Da der Tuchhändler auch Senator der Stadt war, wurde der Stadtschreiber wegen eines anmaßenden Wagnisses mit Schimpf und Schande aus dem Rathaus gejagt und der Stadt verwiesen. Voller Zorn und Verbitterung schulterte Lauermann sein Bündel und machte sich auf den Weg. Am Stadttor blickte er noch einmal in düsteren Schweigen zurück, hob dann drohend seine Faust gegen die Stadt - und verschwand. Lange Zeit hörte man nichts von ihm. Alle glaubten, er sein außer Landes gegangen oder gestorben, als plötzlich in der Nähe der Stadt eine Räuberbande reisende Kaufleute in Angst und Schrecken setzend ihr Unwesen zu treiben begann. Es war Lauermann, der in seinem Schlupfwinkel in den Terper Brüchen eine Schar wüster Gesellen um sich versammelt hatte und mit einer Bande die Zuckerstraße verunsicherte. Lauermann konnte aber das schöne Ännchen nicht vergessen, und weil er sich ihrer Liebe sicher wähnte, plante er ihre Entführung. In seinem ganzen Räuberdasein hatte er sich stets ein Herz für die Armen bewahrt und ihnen oft helfend unter die Arme gegriffen. Sie waren seine Verbündeten in der Stadt und mit ihrer Hilfe wurde Ännchen entführt. Aber abgeschreckt von den bösen Taten Lauermanns hatte sich ihr Sinn gewandelt, und ihre Liebe war erkaltet. Als Lauermann dies mit Erschrecken wahrnahm, beschloss er, dass auch der andere sein Ännchen nicht besitzen sollte. Über Mittelsmänner forderte er ihn zum Zweikampf. In einer düsteren Nacht wurde das Duell ausgetragen. Der Nebenbuhler fiel, von der Kugel des Räuberhauptmanns tödlich getroffen. Als Ännchen davon erfuhrt, wandte sie sich schaudernd von ihrem einstigen Geliebten ab. In der Erkenntnis, dass er die Liebe Ännchens nie wieder erringen konnte, verfluchte Lauermann die Stadt, die ihn ausgestoßen und zum gefürchteten Räuberhauptmann hatte werden lassen. Zur Umkehr war es zu spät. Seit dieser Zeit aber blieb der Räuberhauptmann verschollen. Keiner hat jemals wieder etwas von ihm gehört. Ob es ihn wirklich jemals gab, ist nicht erwiesen. Zu den Heimatfesten der Stadt Spremberg tauchte er wiederholt aus seinem bisher unentdeckten Versteck auf. Der Räuberhauptmann Lauermann ist somit zu einer Symbolfigur des Spremberger Heimatfestes geworden und soll es auch weiterhin bleiben.